„Die Tiere bewerten uns nicht“
Magdalena und Christian Löscher führen ihren Hof seit Anfang Dezember 2023 in der vierten Generation. Dass auf diesem die Welten der Sozialen Arbeit und der bäuerlichen Tätigkeit zusammenfinden war Magdalena ein Herzensanliegen. Die studierte Sozialarbeiterin hat bereits ihre Bachelorarbeit diesem Themenfeld gewidmet. Als gelernte Fachkraft für tiergestützte Intervention und ausgebildete Reitpädagogin kann sie tagtäglich ihre Fähigkeiten im Umgang mit den Klient/-innen anwenden.
Ein Thema mit Zukunft
„Der Bedarf ist auf jeden Fall da. Mittlerweile haben wir an vier bis fünf Tagen die Woche Klient/-innen vor Ort, die das Erlebnis Bauernhof mit uns teilen. Dabei helfen diese beim Versorgen der Tiere und anderen Aufgaben, die gerade anfallen oder genießen einfach die Präsenz der Tiere. Speziell Rinder werden gerne unterschätzt und als reine Nutztiere angesehen. Dabei sind diese sehr intelligente, soziale und sanfte Tiere. Sie vermitteln eine Ruhe die vielen Klient/-innen und auch uns gut tut“, so Magdalena. Neben den Rindern kommen auch Pferde und Ziegen zum Einsatz. Diese Tierarten sind ebenso wie Rinder von Natur aus sozial und neugierig, was eine Grundvoraussetzung für den Einsatz in tiergestützten Interventionen darstellt. Sowohl Pferde als auch Ziegen möchten mit den Menschen in Interaktion gehen. Bei den Pferden ist oft das getragen werden ein besonderes Erlebnis für die Klient/-innen. „In den reitpädagogischen Stunden bin ich nicht nur in unserer Reit- und Bewegungshalle unterwegs. Natürlich bietet diese gerade bei schlechtem Wetter viele Möglichkeiten und vor allem auch Planungssicherheit. Wenn das Wetter es zulässt, gehe ich aber gerne auch in den Wald oder ins Dorf. So kommt auch das bewusste Wahrnehmen der Natur und der eigenen Umgebung nicht zu kurz. Wir haben Klient/-innen, die sich speziell auf diese Ausflüge freuen. Wenn sie dann Passanten vom Pferd herab grüßen können, ist das ein Highlight für sie“, schmunzelt Magdalena. Und weiter: „Aber auch die Ziegen sind nicht zu unterschätzen. Es sind sehr intelligente und lustige Tiere. Auf der Hand liegt auch, dass sie mit ihrer Größe für Personen, die Respekt vor den Tieren haben einen idealen Einstieg ermöglichen können. Ich verwende bei den gleichen Klient/-innen verschiedene Tiere und auch verschiedene Tierarten. Je nachdem, was die Person gerade braucht. Wenn Menschen eher unsicher sind, lasse ich diese beispielsweise mit ruhigeren Pferden arbeiten. Wenn ich Jugendliche habe, die ihre Grenzen austesten, kann schon mal ein Pferd mit einem eigenen Kopf der ideale Partner sein. Generell kann ich das Green Care Motto ‚wo Menschen aufblühen‘ genau so für mich bestätigen. Es ist eine Freude zu sehen, wie die Personen auf die Tiere reagieren“, schildert Magdalena.
Kooperationen
Die längste Kooperation besteht mit der Frastanzer Lebenshilfe, die bereits seit zehn Jahren die reitpädagogischen Angebote für sich in Anspruch nimmt. Seit 2017 kommen zudem auch Gruppen mit eigenen Betreuer/-innen. „Für unsere Klient/-innen ist das Angebot äußerst wertvoll. Sie erleben hier ein anderes Setting als in der Werkstätte, sind in Berührung mit der Natur und den Tieren“, so der Betreuer Raphael Michler. Auch mit dem Institut für Sozialdienste gibt es eine Zusammenarbeit. Über diese kommen Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und Menschen mit Beeinträchtigung auf den Hof. „Was Tiere können, ist vorbehaltlos im Jetzt zu sein und auf ihr gegenüber zuzugehen ohne diesen zu be- oder gar zu verurteilen. Ein Tier fragt dich nicht aus. Vielmehr gehen die Tiere in Interaktion, und fordern die Personen auf, auf sie zu reagieren. So können teils auch Jugendliche die als ‚Systemsprenger‘ bezeichnet werden, die also für keine sonstigen Angebote zugänglich sind, abgeholt werden“, erklärt Magdalena. Weiters gibt es eine Kooperation mit der offenen Jugendarbeit, für die Magdalena geringfügig tätig ist. Über diese kommen Jugendliche, die oft schwierige Lebenssituationen haben, an den Hof und können sich im Umgang mit den Tieren neu erleben.
Positive Wirkung
Aus den vielen positiven Beispielen der Auswirkungen, die die Arbeit mit Tieren auf Menschen hat, ist Magdalena eines ganz besonders in Erinnerung geblieben. „Wir hatten einen Jugendlichen, der schwer depressiv war und mit vierzehn Jahren allein aus Afghanistan geflohen ist. Dieser kam damals über die Flüchtlingshilfe der Caritas zu uns und hatte bis zu diesem Zeitpunkt kein Therapieangebot angenommen. Gestartet haben wir mit einer Stunde tiergestützter Intervention pro Woche. Aus dieser einen Stunde entwickelte sich, dass der Jugendliche dreimal pro Woche mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Wolfurt bis zu unserem Hof pendelte, um uns mit den Arbeiten um den Hof zu unterstützen. Bis er schließlich seinen Aufenthaltstitel bekam und arbeiten durfte, verrichtete er diese Dienste über einen Zeitraum von fünf Jahren. Natürlich gab es in diesen Jahren auch Phasen, in denen es ihm wieder schlechter ging. Aber generell konnte man sich darauf verlassen, dass er pünktlich um neun Uhr bei uns am Hof einsatzbereit war“, erzählt Magdalena. Die positive Wirkung vom Umgang mit Tieren und tiergestützten Interventionen, wird nach und nach auch immer mehr in Studien belegt. Momentan ist es so, dass sowohl tiergestützte Interventionen als auch Reitpädagogik keine von den Krankenkassen anerkannten Therapieformen sind. „Das heißt, dass entweder die Institutionen oder die Privatpersonen selbst für den finanziellen Aufwand aufkommen müssen. Momentan ist es nicht so, dass wir vom Green Care Angebot leben können. Aber es ist durchaus ein weiteres Standbein für uns, welches wir auf jeden Fall weiterempfehlen können. Die Arbeit mit den Tieren ist nämlich nicht nur für die Klient/-innen sondern auch für uns tagtäglich eine Bereicherung. Wichtig ist mir, dass man keine Zirkusveranstaltung aus den Einheiten macht. Natürlich können alle Tiere, mit denen wir arbeiten auch Tricks lernen und auf Kommando abrufen. Darum geht es allerdings nicht – viel mehr steht bei uns die echte Begegnung und das Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt“, so Magdalena.
Zertifizierung
„Für mich war wichtig, dass unsere Angebote Hand und Fuß haben. Deshalb war, trotz des Aufwands der mit einer Zertifizierung einhergeht für uns klar, dass wir diesen Weg gehen werden. Erstmals zertifiziert wurden wir 2015 vom ÖKL. Im Jahr 2021 folgte die Green Care Zertifizierung. Im Herbst dieses Jahres steht bei uns bereits die Re-Zertifizierung an. Dies ist für uns auch eine Gelegenheit dazuzulernen und einen unvoreingenommenen Blick von außen in unsere Planung mit einfließen zu lassen. Zudem ist das Green Care Logo auch ein Qualitätssiegel, welches nach außen die Hochwertigkeit unseres Angebots vermittelt. Darüber hinaus ist unser Hof seit der offiziellen Zertifizierung auch auf der Green Care Homepage, greencare-oe.at, zu finden. Dadurch sind defninitiv mehr Personen auf uns aufmerksam geworden. Allgemein finde ich die Unterstützung, die man erfährt sowie die Vernetzungstreffen sehr wertvoll“, meint Magdalena, die bereits von Anfang an bei den Treffen dabei war.
Über den Hof
Auf dem Hof leben derzeit insgesamt circa 80 Rinder, vier Ziegen und 28 Pferde. Geführt wird der Hof als Milchviehbetrieb mit Pensionspferden im Nebenerwerb. Außerdem gibt es eine Noriker- und Murgesenpferdezucht sowie eine Wagyu-Rinderzucht. Zu dieser bunten Mischung kommt als weiterer Aspekt das Green Care Angebot dazu. Magdalena sieht das Thema Green Care als eine spannende Entwicklung in der Landwirtschaft. So meint sie: „Green Care kann auch für kleinere landwirtschaftliche Betriebe eine Chance sein, den Betrieb zu erhalten, wenn diese ansonsten nicht mehr rentabel zu führen wären.“
Kontakt
Familie Löscher
Brüelweg 11
6710 Nenzing-Beschling
T 0664/4652645