Unter „Nottötung“ ist ausschließlich die Tötung von verletzten Tieren oder erkrankten Tieren mit großen Schmerzen oder Leiden zu verstehen, die auf andere praktikable Weise nicht gelindert werden können (vgl. Verordnung (EG) Nr. 1099/2009).
von Dr. Karin Keckeis | Tierschutzombudsstelle Vorarlberg
Die Methoden, die außerhalb eines Schlachthofes angewandt werden dürfen, sind rechtlich nicht geregelt, doch besteht auch bei der Nottötung selbst die Verpflichtung das Tier vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu verschonen (Verordnung (EG) Nr. 1099/2009). Dies setzt Kenntnisse der (tierart- ) spezifischen Methoden zur Durchführung einer Nottötung und Sicherheit bei der Durchführung voraus. Zunächst steht aber der Umgang mit kranken und verletzten Tieren im Fokus, um unnötige Schmerzen oder Leiden zu verhindern. An erster Stelle sind hier prophylaktische Maßnahmen auf Betriebsebene zu setzen und in Bezug auf das einzelne verletzte oder erkrankte Tier eine frühzeitige medizinische Behandlung (angeordnet im § 15 Tierschutzgesetz). Die Entscheidung, ob eine Therapie eingeleitet bzw. fortgeführt wird oder eine tierschutzkonforme Nottötung in Frage kommt, trifft im Idealfall der Tierhalter gemeinsam mit dem Tierarzt/der Tierärztin, denn für die oftmals schwierige Entscheidung ist als Grundlage eine prognostische Aussage aufgrund der tierärztlichen Untersuchung heranzuziehen und im besten Fall auch eine Diagnose zu stellen.
Euthanasie bei Wiederkäuern
Grundsätzlich ist die Euthanasie („Einschläfern“) bei der Nottötung die Tötungsmethode der Wahl, da durch sie am besten gewährleistet werden kann, dass durch den Tötungsakt selbst dem Tier keine unnötigen Schmerzen und Leiden zugefügt sowie Stressbelastungen minimiert werden. Die Euthanasie ist die Verabreichung einer Überdosis eines geeigneten zugelassenen Medikaments nach zuvor erfolgter tiefer Sedierung oder Narkotisierung und ist zwingend durch einen Tierarzt durchzuführen. Sie ist auch zu bevorzugen gegenüber anderen (mechanischen) Methoden wie der Betäubung mit dem Bolzenschussapparat mit anschließender Entblutung, dem Kugelschuss mit geeigneter Schusswaffe oder der Elektrobetäubung (nur bei Kälbern, Schafen, Ziegen und beim Schwein), wenn die Durchführung dieser durch den Halter mit Unsicherheiten behaftet sind. Der Tiergesundheitsfonds Vorarlberg bietet im Rahmen eines Programms des Tiergesundheitsdienstes die Übernahme von Teilkosten (50 Prozent) bei Inanspruchnahme der Euthanasie nach vorangegangener tierärztlicher Untersuchung. Die Inanspruchnahme ist im Anlassfall auch ohne ausgewiesene TGD-Programmteilnahme möglich.
Der Bolzenschuss ist eine Form der Betäubung, im Anschluss muss zur eigentlichen Tötung eine Entblutung oder Rückenmarkszerstörung erfolgen. Ein Wiedererwachen nach einem Bolzenschuss ist möglich, wenn die Entblutung durch einen Kehlschnitt oder einen Bruststich nicht fachgerecht und zeitgerecht erfolgt, beim Rind z.B. innerhalb von 60 Sekunden nach Eintritt der Betäubungswirkung. Nach erfolgter Betäubung ist unbedingt die Empfindungs- und Wahrnehmungsunfähigkeit zu prüfen (Anzeichen der korrekten Betäubung, Abbildung 1). Die korrekte Betäubung hängt maßgeblich von der Ansatzstelle des Bolzenschussapparates am Kopf des Tieres, von der Fixierung des Kopfes und auch vom Wartungszustand des Apparates ab. Für die Nottötung eines plötzlich schwer erkrankten oder verletzten Tieres auf dem Betrieb sollten die notwendigen Geräte vorhanden sein. Dazu gehört ein Bolzenschussgerät, dessen Funktions- und Pflegezustand periodisch kontrolliert werden sollte, ein scharfes und ausreichend langes Messer und im Sinne einer guten landwirtschaftlichen Praxis auch ein Rückenmarkszerstörer, ein ca. ein Meter langer Stab mit Widerhaken und Schwamm am Ende, der auch als Einweg-Version aus Plastik im Mehrfachpack erhältlich ist (Abbildung 2). Er wird von vorne direkt in das Schussloch eingeführt und führt durch Bewegungen in alle Richtungen zur Zerstörung von Teilen des Gehirns und des Rückenmarks und dadurch zum Tod. Die Methode kann durch unkontrollierte Muskelbewegungen während der Anwendung unschön sein und wird bei Tieren, die auf BSE oder Scrapie zu testen sind, nicht empfohlen. Bei fachgerecht durchgeführten unmittelbar tödlichen Methoden, z.B. dem freien Kugelschuss, ist kein Ausbluten und keine Zerstörung des Rückenmarks erforderlich. Bei allen Methoden zur Nottötung eines Tieres ist es jedenfalls geboten, den tatsächlichen Eintritt des Todes unmittelbar nach der Tötung sowie zehn Minuten später zu überprüfen. In zwei neuen LFI Broschüren (April 2023) werden die Methoden, die unter den Gesichtspunkten des Tierschutzes zur Durchführung der Nottötung bei Schafen und Ziegen und beim Rind auf Betrieben geeignet sind, die rechtlichen Rahmenbedingungen und eine Vorbereitung für den Ablauf gut verständlich dargelegt.