Die Zeiten werden nicht einfacher
In der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Vorarlberg am Gründonnerstag ging LK-Präsident Josef Moosbrugger auf aktuelle Herausforderungen in der Land- und Forstwirtschaft ein. Dazu Auszüge aus einigen Schwerpunktthemen: „In den Pandemiejahren war die systemrelevante Bedeutung einer funktionierenden Lebensmittelversorgung allen bewusst. Das schien infolge der Teuerung, verstärkt durch den Krieg in der Ukraine, schnell vergessen, plötzlich waren die Energiepreise, die Inflation und die Kosten für Lebensmittel das beherrschende Thema. Der Preis schien speziell in den letzten beiden Jahren für viele das Hauptmotiv darzustellen und das erschwerte es Erzeugern von Premiumlebensmitteln und auch für die Biolandwirtschaft ihre Markt- und Umsatzanteile zu halten, bei gleichzeitig steigenden Produktionskosten. Dies führte zu einer Verschiebung hin zu Diskont- und Eigenmarken. Zugleich merken wir, dass Wetterextreme zunehmen, und es wird notwendig werden, dass Anpassungen erfolgen und es braucht dafür auch Offenheit für neue Methoden und Techniken. Das Jahr 2024 hat agrarpolitisch rasant begonnen und scheint sich im Zeitraffer zu entwickeln oder es bringen die verschiedenen Wahlen, die im heurigen Jahr stattfinden werden, zusätzliche Dynamik in ein Umfeld, das sowieso schon mit vielen Herausforderungen zu tun hat. Österreich hat sich dazu entschlossen in einer Übergangsfrist aus der Vollspaltenhaltung für Schweine auszusteigen. Die gesetzlich beschlossene Regelung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, weil dieser die generelle Übergangsfrist als sachlich nicht gerechtfertigt sah. Hätte man gar keinen Übergang beschlossen, hätte es auch nichts aufzuheben gegeben, das ist politische Realität. Das was Bundesminister Rauch nun vorprescht und wiederum für alle einen kurzen Zeitraum bis 2030 fordert, verlässt die notwendige Sachlichkeit und wäre für die Schweinebranche der Todesstoß.
Was würde passieren?
Der Kunde kauft statt teurem österreichischen Tierwohlfleisch billiges Schweinefleisch, die Verarbeiter verwenden Importwaren in ihren Erzeugnissen um die vom Handel und vom Kunden verlangten niedrigen Preise zu halten und die österreichische Landwirtschaft ist der Dumme. Damit ist keiner Sau geholfen. Wir benötigen eine sachlich gerechtfertigte Übergangsfrist, die das Wachstum des Marktes für Tierwohlprodukte mitberücksichtigt und jenen Betrieben, die investiert, Zeit gibt – nur dann ist ein Übergang machbar. Wie sowas ausgehen kann, durften wir ja bereits am Beispiel der Putenmast in Österreich hautnah erleben, wo zuerst ein Handelspartner mehr Tierwohl forderte und die Betriebe zu Investitionen motivierte und dann die Partnerbetriebe, weil es ihm zu teuer wurde, einfach stehen ließ. Dafür gibt es wieder vermehrt Importe aus dem Ausland und genau das ist die Scheinheiligkeit die ich anprangere, mit der aber der Handel, die Politik und die Gesellschaft scheinbar wenig Probleme zu haben scheinen. Das presst die Landwirtschaft in Österreich bis aufs Mark aus. Gegen Vollspaltenhaltung, gegen Kälbertransporte, gegen Pflanzenschutz. Dann aber auch gegen den Import von Schweine- und Kalbfleisch, das auf genau diesen Haltungsformen im Ausland gemästet wird, gegen Getreide, das mit diesem Pflanzenschutz im Ausland angebaut wird, gegen Lebensmittel, die von Arbeiterinnen und Arbeitern erzeugt werden, die schlecht entlohnt sind, keine vergleichbaren Sozialstandards haben und in schlechtesten Wohnverhältnissen leben müssen. Oder nimmt das die Politik billigend in Kauf, weil sie schlussendlich mit diesen Aktionen nur ihre Wähler bedienen will?
Zu viel Bürokratie!
Die Zugänge scheinen auf allen Ebenen ähnlich zu sein, von Wien bis Brüssel. Mit Verordnungen wird die heile Welt geregelt. Die Entwaldungsverordnung verhindert die Entwaldung, die Naturwiederherstellung stellt die Natur wieder her, die Lieferkettenverordnung stellt sicher, dass alles was produziert wird aus nachhaltiger Erzeugung kommt und die Pflanzenschutzmittelverordnung stellt sicher, dass kein wirksamer Pflanzenschutz erfolgt. Und wer ist betroffen? In Österreich möchte ich sagen jede und jeder, die tagtäglich darum bemüht sind, Lebensmittel, nachhaltige Rohstoffe und Biomasse zu produzieren und die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln und regionalen erneuerbaren Rohstoffen sicherzustellen. Das bedeutet Mehrarbeit, das bedeutet Mehrkosten, das bedeutet Bürokratie und das heißt zusätzliche Kontrollen und Zertifizierungen für etwas, das unsere Betriebe in ihrer Arbeit tagtäglich erfüllen. Nachweise ja, Dokumentationen ja, aber dort, wo es notwendig und sinnvoll ist. Österreich mit seinem fast flächendeckenden Umweltprogramm, mit seinem täglichen Waldzuwachs, mit seinen hohen Produktions- und Sozialstandards, den vielen bereits bestehenden Regelungen und Vorgaben, ist wohl nicht das Land das noch mehr Kontrollen und Aufzeichnungen nötig hat, damit die Produktionsstandards so hoch sind wie sie sind. Da braucht es Praktikabilität und ich erwarte mir mehr Hausverstand. Die Bäuerinnen und Bauern fragen sich, wie sie das überhaupt noch bewältigen sollen, wie sie so ihrem Auftrag der Lebensmittelversorgung nachkommen sollen, wie sie ihre Betriebe führen sollen und wie sie es der jungen Generation vermitteln sollen, dass es erstrebenswert ist, auch in Zukunft noch Landwirtin und Landwirt zu sein. Überregulierung, laufend neue (sinnlose) Vorschriften und Verordnungen, das hängt den Bäuerinnen und Bauern zum Hals raus und das ist der Grund warum sie auf die Straße gehen. Kehrt noch Vernunft ein, oder führt das dazu, dass die Betriebe nicht mehr weitermachen? Dann kommen wir dahin, dass wir uns nicht mehr selber versorgen können und in Zukunft von Importen aus Südamerika und Asien abhängig werden. Wenn das der Plan ist, dann weiter so.
Tragen Verantwortung
Wenn es aber das Ziel ist, die Versorgungssicherheit mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln durch die eigene Landwirtschaft zu erhalten und auch bei zukünftigen Krisen sicher zu sein, dass die Land- und Forstwirtschaft ihren Auftrag zum Wohl aller erfüllen wird können, dann müssen die Rahmenbedingungen so sein, dass dieser Auftrag auch erfüllt werden kann. Die Land- und Forstwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst, die Bäuerinnen und Bauern sind bestrebt, Qualitätslebensmittel in umweltgerechter, nachhaltiger Produktionsweise zu erzeugen und sie sind auch bereit zusätzliche Leistungen für die Umwelt zu erbringen, wie die hohe Teilnahmeraten am Umweltprogramm eindrucksvoll unter Beweis stellen. Sie benötigt aber den Rückhalt der Konsumentinnen und Konsumenten, die diese Produkte kaufen und einen fairen Anteil an der Wertschöpfung und Fairness im Regal und den Rückhalt der Politik. Höchste Qualität und Nachhaltigkeit muss die Bedingung dafür sein, dass Lebensmittel ins Regal kommen und dafür müssen die Bäuerinnen und Bauern, die diese erzeugen einen fairen Anteil an der Wertschöpfung bekommen. Medial und bei der Gesellschaft kommen Botschaften an, die in ihrer Einfachheit hängen bleiben und weiterverbreitet werden, denken wir nur an das Fleisch und Klima. Einfache Botschaften kommen gut an und werden ohne selbst zu denken verbreitet, das macht diese aber nicht richtiger.
Klimawandel
Die Landwirtschaft ist nicht der Verursacher des Klimawandels, so wie das manche glauben lassen wollen. Grünlandbasierte Landwirtschaft wandelt nicht essbare Pflanzenmasse in Lebensmittel um und das auf nachhaltige und klimaschonende Weise. Insbesondere die Grünland basierte Landwirtschaft arbeitet in Kreisläufen, CO2 und tierisches Methan werden von den Pflanzen wiederaufgenommen und gebunden. Rinder verwerten große Mengen von Reststoffen aus der Lebensmittelerzeugung und führen diese wieder in den Lebensmittelkreislauf zurück. Nachhaltiger als mit Grünland Milch und Fleisch zu erzeugen geht es gar nicht. Lebensmittel aus der Region, erzeugt von bäuerlichen Betrieben, im Land verarbeitet und vermarktet, haben nachweislich den kleinsten Fußabdruck. Bewusstes konsumieren hilft dem Klima, der Landwirtschaft und der Region. Den Lebensmitteln mehr Wertigkeit zu geben, bedeutet, das eigene Konsumverhalten zu ändern. Etwas für das Klima zu tun benötigt eine Änderung unseres Lebensstils.
TGD-Situation
Die Land- und Forstwirtschaft kann mit der Bereitstellung von nachhaltigen Energieträgern und Rohstoffen dazu beitragen, dass unsere Energieversorgung nachhaltiger wird und damit einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wir von der fossilen Abhängigkeit wegkommen. Nicht in der Einschränkung der Land- und Forstwirtschaft liegt der Zukunftsweg, sondern in der Nutzung und der Einbeziehung ihrer Potentiale und Leistungen. Die medial berichteten Vorfälle auf zwei Betrieben machen auch die Bäuerinnen und Bauern betroffen. Polizei, Staatsanwaltschaft und die Behörden sind mit der Aufarbeitung des Falles beschäftigt. In diese laufenden Untersuchungen hat sich die Politik nicht einzumischen. Die Ergebnisse sind abzuwarten. Daher hat es mich auch sehr verwundert, dass eine grüne Abgeordnete mich genau dazu aufgefordert hat. Illegaler Medikamentenhandel und Anwendung sind verboten. Legale Medikamentenanwendung durch den/die Landwirt/-innen darf nur in Abstimmung mit einem TGD-Tierarzt/-ärztin erfolgen. Ich verwehre mich in diesem Zusammenhang aber auch gegen jegliche pauschale und undifferenzierte Anschuldigungen durch einzelne Tierärzte, die am Rande der Rufschädigung für den gesamten Bauernstand sind. Das haben sich ihre Kunden – die Bäuerinnen und Bauern – nicht verdient. Die Aufhebung des Rahmenvertrages bedeutet aus meiner Sicht zuallererst Aufwand und Zettelwirtschaft für Tierarzt/-ärztin, Landwirt/-in und TGD. Ich glaube auch nicht, dass das seitens der Tierärzt/-innen so einstimmig und klar abgelaufen ist, wie ihre Standesvertretung es uns weismachen möchte. Ich erwarte mir, dass die Tierärztinnen und Tierärzte ihre Verantwortung wahrnehmen, damit für alle Tiere in Vorarlberg die Versorgung 365 Tage im Jahr sichergestellt ist. Tiere die krank sind, müssen umgehend behandelt werden. Wenn wir Probleme in der Versorgung haben, dann müssen wir uns auch die Fragen stellen, ob die Anforderungen bezüglich der Ansiedelung und Berufsausübung von Tierärzten/-ärztinnen und Praxen nicht geändert werden müssen. Hindernde Regelungen, die es erschweren oder verunmöglichen, dass sich die Versorgungslage verbessert, helfen niemandem.
Beutegreifer
Tiere wie der Wolf, der Kormoran, der Biber, Fischotter und andere, breiten sich aus. Die Arten sind aufgrund ihrer Verbreitung und Anzahl nicht mehr gefährdet, darauf muss endlich reagiert werden. Weg vom strengen Schutz hin zum aktiven Wildmanagement, das auch die Auswirkungen auf den Lebens- und Siedlungsraum mit einbezieht. Es ist keine Lösung, der ungezügelten Vermehrung und Ausbreitung Beifall klatschend zuzusehen und jene, die den Schaden haben, mit dem Problem allein zu lassen. Dort, wo Schäden an Kulturen entstehen, erwarten wir Schadensabgeltung und infolge ein aktives Wildmanagement, damit sich die Situation verbessert. Beim Wolf ist mittlerweile, innerhalb der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen, einiges in die richtige Richtung gelungen. Die Abschussplanungen für die nächsten zwei Jahre wurden im heurigen Frühjahr zwischen Vertretern der Behörde, der Grundbesitzer und der Jagd verhandelt. Nachdem im Bregenzerwald bei mehreren vorgelegten Stück Rotwild TBC nachgewiesen wurde, ist es notwendig, dass endlich eine Reduktion der Wildbestände umgesetzt wird. Im Einvernehmen zwischen Jagd- und Grundbesitzervertretern wurden höhere Abschusszahlen vereinbart. Diese einzuhalten und insbesondere auch bei der Qualität der Abschüsse auf die Geschlechterverteilung ein Augenmerk zu legen, liegt in der Verantwortung der Jägerschaft. Die Grundbesitzer und Alpvertreter sind aufgefordert, ihre Verantwortung im Zusammenwirken der Jagdverpachtung und Alpwirtschaft wahrzunehmen. Die Alpwirtschaft braucht die Jagd, aber auch die Jagd eine funktionierende Alpwirtschaft. Gelingt es nicht, die Tierseuche beim Rotwild zu bekämpfen, dann wird auch der Jagdwert stark sinken, das muss bewusst sein.
Bodenverbrauch
Ohne Boden keine Lebensmittelversorgung, keine Erzeugung nachhaltiger Rohstoffe und sonstiger Gemeinwohlleistungen für Natur, Umwelt und Erholung. Die von den Raumordnungslandesräten nunmehr beschlossene Bodenstrategie, ohne strikte Hektar-Vorgabe, sieht die Landwirtschaftskammer Vorarlberg kritisch aber wir erachten das als ersten Schritt. Der sparsame Umgang mit Grund und Boden und insbesondere mit ertragreichen Flächen ist ein Gebot der Stunde. Die räumlichen Entwicklungspläne müssen den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen als wichtiges Planungsziel beinhalten. In Bezug auf die Regelungen des „Guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustandes – Schutz von Feuchtgebieten und Torfflächen“, GLÖZ II, bin ich sehr überrascht, was jetzt am Tisch liegt. Das war anders vereinbart, nämlich, dass intensives Grünland nicht darin enthalten ist. Die jetzt vorliegende Darstellung ist daher weder verständlich noch nachvollziehbar. Diese Grundlage nimmt vielen Betrieben den Spielraum für die Fruchtfolge. Ich habe daher mit Landesrat Christian Gantner vereinbart, dass wir eine Auswertung erstellen, auf der die betroffenen Flächen dargestellt sind. Auf dieser Grundlage werden wir mit dem Land in Diskussion treten, mit dem Ziel einer Lösung, so wie es vereinbart wurde, im Interesse der Bäuerinnen und Bauern. Das Land Vorarlberg hat mit der Landwirtschaftsstrategie „Landwirt.schafft.Leben“ eine – von allen politische Parteien im Vorarlberger Landtag unterstützte und beschlossene – Zielorientierung erarbeitet. Neben der Waldstrategie und der Energiestrategie bettet diese die Vorarlberger Land- und Forstwirtschaft in sechs strategische Handlungsfelder ein, die Umwelt und Tierwohl, der Lebensmittelversorgung, dem Unternehmer Landwirt/Landwirtin und der Ausbildung und dem Dialog Raum geben. Diese Leitlinien werden seitens des Landes und der Landwirtschaftskammer in vielen Maßnahmen verfolgt und umgesetzt – beispielsweise über Vorarlberg am Teller, den Regionalkoordinator, Regionalität in Schulen und Kindergärten, die Energieberatung, den verschiedenen Landes- und Tierwohlprogrammen und der Ländle Produkt-Familie. Mit diesen Zielrichtungen wird eine wichtige Grundlage für die zukünftige Ausrichtung der Strategie der Vorarlberger Agrarpolitik und die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe geschaffen. Diese Grundlage unterstützt unsere Betriebe in ihrer zukünftigen Ausrichtung. Zentral für die Zukunft unserer Land- und Forstwirtschaft ist es weiterhin, dass die Betriebsführerinnen und Betriebsführer ihre Betriebe selbst führen und entwickeln können. Dazu gehören auch bauliche Maßnahmen und betriebliches Wachstum in der Größe oder in die Verarbeitungstiefe bzw. Nebentätigkeiten, die den Standort sichern. Nur wenn die bäuerlichen Familien und die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer mit ihrer Arbeit ein gutes Einkommen erwirtschaften und vergleichbare Lebensbedingungen haben sowie Wertschätzung erfahren, kann der Fortbestand gesichert werden und die junge Generation für die Hofübernahme begeistert werden. „Allen Kammerrätinnen und Kammerräten, Dienstnehmer/-innen, Funktionären und Mitarbeiter/-innen danke ich für die Unterstützung und euren Beitrag für die bäuerliche Interessensvertretung und für die Vertretung der Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer. Nur gemeinsam können für unsere Mitglieder gute Ergebnisse erreicht werden. Danke auch allen Bäuerinnen und Bauern, Land- und Forstwirten/-innen, die mit ihrer Arbeit die Lebensmittelversorgung sicherstellen und zur Lebensqualität in unserem Land beitragen.“