„Die Freiheit hier sein zu dürfen“
So zumindest steht es in den Chroniken, die über die Besiedlung dieser Gegend erhalten sind. Auf einem wunderschönen Sattel gelegen, stehen nicht nur das um 1900 erbaute Alpgebäude mit der Sennerei und dem Stall, sondern auch einige Berg- und Ferienhütten und, nicht verwunderlich, ein Gasthaus. Geht man an der Sennerei weiter vorbei, kommt man zur Alpe Hintergamp, die knapp unter einem Grat liegt, der gleichzeitig die Grenze zu Liechtenstein ist. Während die 62 Milchkühe, 20 Schweine und 15 Pferde auf der Hauptalpe bei der Sennerei untergebracht sind, erleben 176 Rinder, rund 90 Schafe, elf Esel mit Fohlen und vier Pferde auf Hintergamp ihre Sommerfrische. Dass in dieser kleinen „Arche Noah“ Hintergamp alles bestens funktioniert, dafür sorgen Jana und Michael Wohlgenannt, die sich hier mit großer Leidenschaft um die Tiere kümmern. „Wir sind wirklich in einer privilegierten Lage, dürfen wir doch mit all den Tieren hier in einem wunderbaren Stück Natur den Sommer verbringen. Und wenn dann noch wie heuer, drei junge Esel in drei Tagen bei uns auf die Welt kommen, ist das unbeschreiblich schön“, so Michael. Was man aber nicht vergessen darf ist, dass damit auch viel Arbeit und Verantwortung verbunden ist. „Es gibt eigentlich immer genug zu tun, man muss körperliche Arbeit auch mögen, sonst ist man auf einer Alpe am falschen Ort. Zudem gibt es auch immer die Sorge um das Wohl der Tiere. 2022 hat der Wolf bei uns zwei Schafe gerissen, und nur wer das selbst erlebt hat, wie geliebte Tiere brutal gerissen werden, kann sich bei dem Thema einbringen. Man darf sich nicht wundern, wenn wir Älplerinnen und Älpler manchmal launisch werden, wenn man hört, wer da alles meint, beim Thema Wolf mitreden zu müssen und unrealistische Forderungen stellt. Dass Tierschutz auf Alpen vorranging für Wölfe, aber nicht für Nutztiere gelten soll, ist zynisch“, so der erfahrene Älpler. Zurück auf der Hauptalpe am Sattel arbeiten und leben die anderen Mitglieder des Gamp-Teams. Das sind Alpsenn Michael Amann und seine Frau Petra mit den Kindern Linus und Jonas, Hirt Christoph Amann mit Frau Monica und den Kindern Leonie und Emma, Praktikantin Mia Kathan und Pfister Jakob Kleindienst. Michael ist erst den fünften Sommer als Senn tätig und arbeitet hauptberuflich in einer Tischlerei. „Ich bin in der glücklichen Lage, den Sommer auf der Alpe verbringen und meiner Leidenschaft dem „Sennen“ nachgehen zu dürfen. Dazu braucht es natürlich einen Firmenchef, der mir diesen zeitlichen Freiraum gibt, was nicht selbstverständlich ist und Respekt für die Alpwirtschaft zeigt. Das verdient einen besonderen Dank.“, so Michael. 2019 hat er mit 36 Jahren mit dem Sennen angefangen und ist dabei gleich durchgestartet. Mit Goldmedaillen bei der Käseprämierung in Schwarzenberg oder als Tagessieger bei der Käseolympiade in Galtür konnte 2023 der bisherige Höhepunkt erreicht werden. „Das ständige Verbessern, Tüfteln und die Weiterentwicklung meiner Käse sind Ansporn und Genugtuung bei Sennern. Da hilft auch die gute fachliche Beratung durch die Landwirtschaftskammer“, so der Meistersenn und weiter: „Natürlich ist es auch ein Privileg mit der Familie so eine lange Zeit gemeinsam in der herrlichen Bergwelt Vorarlbergs verbringen zu dürfen. Hier ist man sein eigener Chef, muss alle Entscheidungen selber treffen und kann schalten und walten, wie man es für richtig hält. Das kann man nicht genug schätzen“, erklärt Michael, der schon in seiner Jugendzeit immer wieder auf Alpen mitgearbeitet hat.
Lange Arbeitstage
Diese Begeisterung ist auch auf seinen Cousin Christoph übergesprungen, der mit seiner Familie im Sommer ebenfalls auf der Alpe lebt und arbeitet und der von seiner Firma die Freistellung bekam. Seine Aufgabe als Hirt ist es, dafür zu sorgen, dass es den Tieren gut geht und somit täglich die Milch für die Köstlichkeiten bereitsteht, die Michael für seine Spezialitäten braucht. Das sind neben dem Alpkäse auch Sura Kees, Butter und Joghurt. Dafür heißt es früh, also ca. 4.30 Uhr, aus dem Bett zu kommen, die Tiere zurück in den Stall zu bringen, zu melken und dann wieder auf eine der Weiden zu bringen, die sich im Umfeld der Alpe befinden. Dann wird der Stall gesäubert und immer wieder, bei jeder Witterung, nach den Tieren geschaut, bevor sie am Abend wieder zum Melken in den Stall geholt werden und der Rhytmus von vorne beginnt. Also langweilig wird es nie, aber mit unserem eingespielten Team macht das, trotz der langen Arbeitstage, viel Spaß.
Gäste sind willkommen
Dafür sorgen auch Petra und Monika die sich nicht nur um das leibliche Wohl der fleißigen Alpmannschaft, sondern auch um die vielen Wanderer und Radfahrer kümmern, die beim Kässtüble auf eine Stärkung vorbeikommen. Zudem helfen sie auch bei der Produktion von Butter, Sura Kees und Joghurt mit und kümmern sich um den Sennereiladen und die Gastronomie. Petra, die von einem Bauernhof kommt und als Büroangestellte arbeitet, schätzt das Leben auf der Alpe ganz besonders: „Dass ich hier mit meiner Familie so eine herrliche Zeit verbringen darf, lässt fast die Arbeit vergessen. Wenn ich dann auch die Freude der Kinder miterlebe, die sich mit den Tieren beschäftigen und nicht dauernd vor dem Handy und Computer hängen, tut das schon gut. Es ist einfach diese Freiheit hier sein zu dürfen.“ Dieses sonnige Gemüt teilt sie sich mit Monika, was auch auf die Gäste überspringt und die Gamp zu einem beliebten Ausflugsziel macht. Das spiegelt sich auch im Verhältnis mit dem Team vom Berghaus Mattajoch wider. „Während wir die Bretteljausen anbieten, hat man sich im Mattajoch mehr auf warme Küche spezialisiert. So ergänzen wir uns gemeinsam und das sorgt für ein gutes Miteinander“, so Monika. Die erzeugten Spezialitäten kann man auch im Käslädele auf der Gamp oder bei der Vorratskammer in Beschling kaufen. Gegen Mittag hat Michael meist sein Tagwerk in der Sennerei erledigt. Nach dem Mittagessen und einer kurzen Ruhepause geht es mit der Arbeit weiter, sei es die Käsepflege, die Reinigungsarbeiten oder einfach eine der vielen Arbeiten die auf einer Alpe nur darauf warten, von ihm und Christoph erledigt zu werden. Die Alpe Gamp selbst ist im Besitz der Agrargemeinschaft Beschling und das Gamp-Team wird für den Sommer angestellt. Das auf der Alpe alles funktioniert und kleinere Probleme schnell behoben werden, dafür ist Alpmeister Paul Müller mit großem Engagement und Fürsorge täglich im Einsatz: „Unsere Alpe wird seit über 1.000 Jahren genutzt und somit haben wir in der Agrargemeinschaft natürlich auch ein besonderes Interesse, die Alpe für unsere Bauernfamilien zu erhalten. So auch 2011, als das zuvor schon öfter ausgebaute und modernisierte Alpgebäude durch Funkenflug aus einem Kamin abgebrannt ist und wir vor der Frage des Wiederaufbaues standen. Mit einer gemeinsamen Anstrengung ist es uns gelungen, die Alpe wiederaufzubauen und auch gleichzeitig für die Zukunft zu adaptieren. Heute haben wir eine schöne Sennerei, einen Sennereiladen, eine Jausenstation und ein gemütliches Stüble für die Bewirtung der Gäste bei schlechter Witterung. Das funktioniert aber nur dank eines eingespielten und verlässlichen Teams, wie wir es zurzeit haben. Das macht Freude und auch wir sind stolz über die daraus resultierenden Erfolge von unserem Meistersenn Michael. Eine Leistung, an der alle ihren Anteil haben.“ Die Agrargemeinschaft zählt derzeit 110 Mitglieder. Großartige fachliche Unterstützung gibt es von der Sennerei Schlins und speziell von Sennmeister und Geschäftsführer Thomas Kaufmann. Die Hälfte der erzeugten Alpkäse wird in Schlins bis zum Verkauf gelagert, geschnitten und abgepackt, die andere Hälfte über die Firma Rupp vermarktet. Insgesamt ist die Alpe Gamp ein besonders Stück Heimat, mit langer, bäuerlicher Tradition, kulinarischer Spitzenleistungen und einem Alpteam, das zu Recht auf die geleistete Arbeit stolz sein darf. Vor allem aber steht auch die Alpe Gamp für den Erfolg der Vorarlberger Alpkultur, die durch die Bewirtschaftung und Pflege unserer Kulturlandschaft Grundlage für die Bewirtschaftung im Tal und den erfolgreichen Tourismus schafft. Hunderttausende Gäste und Einheimische dürfen diese Landschaften und Spezialitäten genießen, ohne die harte Arbeit dahinter zu sehen. Wenn man weiß, dass auf knapp 500 Alpen rund tausend Älplerinnen und Älpler jeden Tag diese großartigen Leistungen erbringen, darf man in Anlehnung an Winston Churchill eines seiner Zitate anwenden: „Nur selten haben so Viele, so Wenigen, so viel zu verdanken. Wenn man die herrliche gepflegte Vorarlberger Kulturlandschaft und die großartigen Köstlichen genießen darf, für die unsere Bauernfamilien täglich im Einsatz sind, ist ein Dankeschön wohl mehr als angebracht.“
Historisches
Auf 1.564 Meter Höhe befindet sich die Alpe Gamp. Seit wann dieses Gebiet als Alpe genutzt wird, lässt sich nicht sagen. Der Name verrät uns aber, dass es seit mindestens 1.000 Jahren genutzt wird. Gamp ist ein rätoromanisches Wort und bedeutet so viel wie Wiese, Feld. Da alle Wörter aus dieser Sprache, die es hier zuhauf gibt, spätestens um diese Zeit entstanden sind und dann nach und nach von der deutschen Sprache abgelöst wurden, kann man es wagen, diesen Zeitraum zu nennen. Heute ist das ganze Gebiet, samt Wald, der meist ein Schutz- und Bannwald ist, im Besitz der Agrargemeinschaft Beschling-Latz. Die Bewirtschaftung der Alpe erfolgte früher anders. Das heutige Gamp war früher ein Junisäß, besser bekannt unter dem Begriff als Mai- oder Vorsäß. Da Gamp zu hoch liegt, wurde das Vieh erst im Juni heraufgebracht. In den 22 Privathütten (Stand: Jahr 1857) lebten für einige Wochen junge und ältere Familienmitglieder und dann nochmals beim Nachalpen im Herbst. In den Hütten wurde selber Butter und Käse hergestellt, und gemeinsam wurde das Vieh gehütet. Die Alpe Gamp besitzt mit dem Gampfall und den Gamptürmen zwei vorarlbergweite Naturdenkmale der besonderen Art. Bei Ersterem stürzen die Wasser des Dabagrossbaches über Steilstufen mit insgesamt 500 Höhenmetern ins Gamperdontal und bei den Gamptürmen handelt es sich um spezielle Launen der Natur. Diese waren einstmals Dolinen, also Gipslöcher, die nach und nach von umgebendem Material zugeschüttet wurden. Durch gelöste Kalke und Gipse verfestigte sich das Material. Die Umgebung wurde abgetragen und so stehen heute viele Türme im Bereich Innergamp als Negativabdruck einer Doline. Ebenso bedeutsam ist der Blockgletscher auf dem Roßboden, der kurz nach der letzten Eiszeit entstanden ist. Wie man sieht, hat die Gamp neben kulinarischen Genüssen auch landschaftlich viel zu bieten. Ein Besuch lohnt sich!
Alpe Gamp
Seehöhe: 1.564 Meter
Fläche: 326 Hektar
Viehbestand: 62 Kühe, 30 Rinder, 55 Kälber, 20 Schweine, 15 Pferde, 25 Ziegen, drei Esel
Milchprodukte:
- ca. 74.000 Kilogramm Milch
- ca. 7.500 Kilogramm Bergkäse
- 810 Kilogramm Butter
- 306 Kilogramm Frischkäse
Personal:
- ein Alpsenn
- ein Hirte
- zwei Pfister
- zwei Damen für die Gästebewirtschaftung
- ein Hirte
- 176 Rinder, 92 Schafe, elf Esel, vier Pferde