Bauernhöfe als Orte der Hoffnung
In den letzten Jahren haben sich landwirtschaftliche Betriebe in Österreich über ihre traditionelle Rolle als Lebensmittelproduzent/-innen hinausentwickelt. Neben Urlaub am Bauernhof und der Direktvermarktung erkennen immer mehr Bäuerinnen und Bauern das Potenzial, ihre Höfe zu Orten der sozialen Unterstützung und Gesundheitsförderung zu machen. Unter dem Konzept Green Care entwickeln sie innovative Angebote für Menschen, die sich aufgrund einer Behinderung, schwieriger familiärer Verhältnisse oder einer Erkrankung in besonderen Lebenslagen befinden. Diese Bäuerinnen und Bauern agieren als soziale Unternehmer/-innen, die nicht nur die wohltuende Kraft der Natur, der Tiere und der landwirtschaftlichen Tätigkeiten nutzen, sondern auch neue Perspektiven und Einkommensquellen für ihren Betrieb erschließen. Green Care bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Hof als lebendigen Ort zu gestalten, der Unterstützung, Geborgenheit und neue Chancen für ihre Zielgruppen schafft.
Die positiven Auswirkungen der sozialen Landwirtschaft auf die körperliche und geistige Gesundheit sind gut belegt. Der direkte Kontakt mit der Natur und die Nähe zu Tieren haben eine beruhigende und entspannende Wirkung. Die ländliche Umgebung mit ihren Feldern, Wäldern und Bergen bieten Orte der Ruhe und Erholung. Die vielfältigen landwirtschaftlichen Arbeiten schaffen für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen passende Aufgaben. Eine zentrale Rolle spielt die Interaktion mit Tieren: Tiere begegnen den Menschen unvoreingenommen, helfen dabei Vertrauen und soziale Bindungen aufzubauen, und bringen Freude und Leichtigkeit in das Leben derjenigen, die mit schweren Belastungen zu kämpfen haben.
Inklusion und Förderung
Der Green Care-Bauernhof Maria Wald der Caritas der Erzdiözese Wien bietet am Rande des Wienerwaldes Menschen mit Behinderung einen besonderen Wohn- und Arbeitsort. Im Rahmen des Green Care-Projektes wurde der landwirtschaftliche Betrieb revitalisiert, baulich adaptiert und beheimatet nun eine Tagesstruktur sowie Wohngruppen für Menschen mit Behinderung. Beschäftigungsmöglichkeiten gibt es im Bio-Gartenbau und der Pflanzenzucht sowie bei der Veredelung der Hofprodukte. Darüber hinaus werden Hühner gehalten und betreut. Durch die täglichen Aufgaben erleben die Menschen Anerkennung und Selbstwertgefühl. Im Selbstbedienungsladen „Am Himmel“ und in den Caritas-Shops auf der Mariahilfer Straße und am Yppenplatz werden Marmeladen, Tees, Sirupe und vieles mehr verkauft – und wenn etwas kaputt geht am Gelände, dann wird es auch selbst wieder repariert. Die Wohngruppen am Hof richten sich an Menschen mit intensivem Betreuungsbedarf und bieten Unterstützung rund um die Uhr.
Der Dreierhof im niederösterreichischen Maria Anzbach ist ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Green Care-Projekte für Menschen mit Behinderung. Der Bio-Bauernhof wird in fünfter Generation von der Familie Hieret geführt und ist eingebettet in malerische Landschaften. 2015 wurde die stillgelegte Backstube am Hof wiederbelebt und wird seitdem in Kooperation mit der Organisation Jugend am Werk von Menschen mit Behinderung betrieben. Hier werden mit viel Sorgfalt und unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards Brot- und Backwaren produziert, die über lokale Initiativen und den Direktverkauf am Hof angeboten werden. Mit den speziell trainierten Schafen und Pferden werden darüber hinaus tiergestützte Interventionen für Kinder und Erwachsene angeboten, die durch vielfältige Bildungs- und Freizeitaktivitäten rund um die Tiere und den Bauernhof ergänzt werden.
Geborgenheit und Entwicklung
Für Kinder und Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen schafft der Green Care-Betrieb Esperanza in Oberndorf an der Melk in Niederösterreich eine einzigartige Umgebung. Der Hof bietet im Auftrag der Kinder und Jugendhilfe stationäre und teilstationäre Betreuungsangebote für junge Menschen an, die aufgrund ihrer Lebensumstände besondere Unterstützung benötigen. Die Tiere, darunter Pferde, Esel, Alpakas, Hunde und Katzen, spielen eine zentrale Rolle in der pädagogischen Arbeit. Die Interaktion mit den Tieren fördert das emotionale und soziale Lernen der Jugendlichen und hilft ihnen Vertrauen aufzubauen und Verantwortung zu übernehmen. Besonders wichtig ist die Einbindung der Jugendlichen in den Arbeitsalltag des Hofes, wodurch sie praktische Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen für ihre Zukunft erwerben können.
Naturnahe Betreuung für ältere Menschen
Für ältere Menschen, insbesondere jene mit einer Demenzerkrankung, bietet das Tageszentrum Alpakapoint Pointner im oberösterreichischen Windhaag bei Freistadt eine geschützte Umgebung, in der sie aktiv und sicher am Hofleben teilnehmen können. Der zertifizierte Green Care-Betrieb ist bekannt für seine große Herde Alpakas, die eine zentrale Rolle in den tiergestützten Angeboten spielen. Diese Tiere, mit ihrem sanften und beruhigenden Wesen, sind besonders geeignet, um Menschen mit Demenz zu unterstützen und ihnen Momente der Ruhe und Freude zu schenken. Der speziell angelegte Sinnes-Demenzgarten und die barrierefreien Innenräume ermöglichen es den Besucher/-innen des Tageszentrums, sich sicher zu bewegen und an den Aktivitäten teilzunehmen, die sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit fördern.
In Maria Roggendorf im Weinviertel befindet sich der zertifizierte Green Care-Betrieb „Sonnenplatzerl“, Heimat der ersten Senior/-innen-WG auf einem Bauernhof in Niederösterreich. Die barrierefreien Wohneinheiten bieten den Bewohner/-innen ein Zuhause, das Privatsphäre mit der Möglichkeit zu professioneller Pflege und Betreuung vereint. Ergänzend dazu ermöglicht ein Tageszentrum am Hof Senior/-innen mit den Pflegestufen eins bis vier einen strukturierten Tagesablauf und soziale Unterstützung. Der Hof ist so gestaltet, dass sowohl die Bewohner/-innen als auch die Tagesgäste aktiv am täglichen Leben teilnehmen – sei es durch Gartenarbeit, gemeinsame Mahlzeiten oder den Kontakt zu den Tieren. Die ländliche Atmosphäre und die regelmäßigen Aktivitäten fördern sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit und vermitteln den Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft und Geborgenheit.
Hoffnung und Trost in schweren Zeiten
Das Kinderhospiz Lichtblickhof in Wien ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Green Care die Lebensqualität von Menschen in besonders schweren Lebenslagen verbessern kann. Der Hof ist ein Lebensort für Kinder und Jugendliche mit unheilbaren Erkrankungen sowie für junge Menschen, die schwere Traumata erlebt haben. Das Konzept verbindet tiergestützte Interventionen mit einer ganzheitlichen, liebevollen Betreuung, die den Kindern und ihren Familien Momente der Freude und Erleichterung ermöglicht. Die speziell ausgebildeten Therapiepferde und weitere Bauernhoftiere helfen, Stress abzubauen und Vertrauen sowie Geborgenheit zu vermitteln. Neben der tiergestützten Intervention bietet der Lichtblickhof auch heilpädagogische und sozialtherapeutische Programme, die individuell auf die Bedürfnisse jedes Kindes abgestimmt sind. Diese Kombination aus professioneller Betreuung und der beruhigenden Wirkung der Tiere schafft einen Ort, an dem die betroffenen Kinder und ihre Familien wieder Kraft schöpfen können.
Soziale Innovation für den ländlichen Raum
Diese Green Care-Höfe zeigen eindrucksvoll, dass die Verbindung von Natur, tiergestützter Therapie und professioneller Begleitung neue Wege zu einem erfüllteren Leben eröffnen kann – selbst in den schwersten Momenten. Für landwirtschaftliche Betriebe bietet Green Care zudem eine wertvolle Einkommensquelle, die zur wirtschaftlichen Stabilität und Vielfalt beiträgt. Green Care ist daher weit mehr als ein neues landwirtschaftliches Betriebskonzept – es ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Infrastruktur am Land, der Menschen in schwierigen Lebenssituationen Hoffnung und neue Perspektiven bietet und zugleich die Zukunft der bäuerlichen Betriebe nachhaltig sichert.