„Vom Gräs zum Käs“

Vorarlberg ist aufgrund seiner Topografie und seiner klimatischen Verhältnisse von Tierhaltung und Milchwirtschaft geprägt. Auch die Verarbeitungs- und Vermarktungsstruktur (Höfe, Ställe, Heulager, Milch verarbeitende Betriebe, Sennereien…) ist seit Jahrhunderten darauf ausgelegt. Mit rund 3.300 Betrieben und einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 70.000 Hektar ist Vorarlberg im Gegensatz zu vielen anderen Ländern agrarisch sehr klein strukturiert. Nur ca. ein Drittel der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter arbeitet im Haupterwerb, zwei Drittel im Nebenerwerb. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Vorarlberger Betriebe Bergbauernbetriebe sind und sich im benachteiligten Gebiet befinden. Der überwiegende Teil der Höfe wird als Familienbetrieb geführt. Der Balottahof von Simon Matt und Nadine Krobath in Schlins ist einer davon. Simon entschied sich 2016 den Hof zu übernehmen. Zuerst im Nebenerwerb, dann 2019 in Vollzeit. Mit seinen damals 28 Jahren zählt er zu den Junglandwirten Vorarlbergs. Er führt den Betrieb in der vierten Generation. Mit 70 Stück Vieh (davon 36 Milchkühe) bewirtschaftet er 30 Hektar Grünland. 15 Kühe und das Jungvieh verbringen den Sommer auf der Alpe im Nenzinger Himmel. Auf dem Feld direkt neben dem Hof werden nach den Richtlinien des Ländle Gütesiegels auf 70 Ar Äpfel produziert. Dort wachsen inzwischen auch Zwetschgen und Birnen. Ab Hof werden Süßmost, Edelbrände und Obst direkt vermarktet. Bienen für die Bestäubung und den Honig, Wachteln und Hennen komplettieren das Angebot. „Unser Hauptgeschäft bleibt die Milch. Dafür haben wir die Infrastruktur im Dorf geschaffen. Für alles Weitere (z.B. Obst, Gemüse…) fehlen uns noch Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen“, so Simon Matt zur Ausrichtung seines, wie er definiert, Milchviehbetriebs mit Obstbau. Geliefert wird in Heumilchqualität an die Dorfsennerei Schlins, wo sie regional zu qualitativ hochwertigem Rohmilchkäse veredelt und vermarktet wird. Acht regionale Betriebe liefern Heu- und Rohmilch an die genossenschaftlich geführte „Dorfsennerei Schlins, Röns und Umgebung“. Vier Millionen Liter werden im Jahr verarbeitet und vermarktet. Ein Drittel über Sennereiladen, Automat, Online-Shop und regionalen Handel (Spar, ADEG), der Rest über Vorarlberg Milch. Die Milchlieferanten sind aktive Genossenschaftsmitglieder und bekleiden auch ein Amt in der Genossenschaft. Insgesamt sind es 16 Genossenschafter, darunter Betriebsleiter Thomas Kaufmann. Mit seiner elf-köpfigen Mannschaft sennen sie täglich von 4.30 Uhr bis 12 Uhr. „Vom Gräs bis zum Käs haben wir alles in der Hand. Wir produzieren und vermarkten regional und die Wertschöpfung bleibt in der Region“, so der Betriebsleiter. Auch international wird der Vorarlberger Käse beachtet. Für den einzigartigen zehnmonatigen Bergkäse hat die Sennerei inzwischen den internationalen „World Cheese Award“ 2021-2022 und einige Male das österreichweit vergebene Kasermandl in Gold erhalten. Das 2006 in Betrieb genommene und 2018 erweiterte neue Bergkäse-Reife-Center mit Käseroboter hat eine Lagerkapazität von 10.000 Laiben á 30 Kilogramm. Das Lager ist gut gefüllt.
Die Erzeugung regionaler Lebensmittel – verstanden als Auftrag
Die Rolle von Grünland und Wiederkäuern für die Zukunft der Welternährung ist eine wesentliche. Aktuelle Entwicklungen lassen vermuten, dass sich die Weltbevölkerung bis 2050 beinahe verdoppelt. Die rasante Entwicklung im Bodenverbrauch verschärft das Zukunftsszenario Ernährung. Tierernährungsexperte Prof. Windisch von der TU München hat 2021 die Situation anhand eines Fußballfeldes veranschaulicht. Mit 7.400 Quadratmetern ernährt es aktuell drei Menschen. Im Jahr 2050 steigt diese Zahl auf fünf. Ackerfähig sind dabei aber nur die Strafräume. Der überwiegende Teil ist für den Menschen nicht essbare Biomasse. Nur Wiederkäuer können diese verwerten und in hochwertige Lebensmittel für den Menschen verwandeln. Der Rest geht zurück in den Kreislauf, als hochwertiger Wirtschaftsdünger, der punktgenau zum Pflanzenwachstum eingesetzt werden kann. „Eine große Herausforderung für die Landwirtschaft ist der Flächenverbrauch. Das bringt auch die Alpwirtschaft in Gefahr, denn ein Hektar weniger bewirtschaftete Fläche im Tal bedeutet zwei Hektar weniger beweidete Fläche auf den Alpen. Ein Verlust für Versorgungssicherheit genauso wie für die Kulturlandschaft und damit auch für den Wirtschaftszweig Tourismus“, beschreibt LK-Präsident Josef Moosbrugger die aktuelle Situation. Verstärkend wirkt, dass in Vorarlberg fast zwei Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen in nichtbäuerlichem Besitz sind. Mit der Vorarlberger Grünzone im Rheintal und im Walgau wurden bereits vor 45 Jahren Maßnahmen gesetzt, um ertragreiche zusammenhängende Flächen in den Tallagen für die Landwirtschaft sicherzustellen. Laut der aktuellen Agrarstrukturerhebung (Durchführung 2020) hat sich die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Vorarlberg um 0,5 Prozent pro Jahr verringert. Dies bedeutet einen Rückgang von 214 Betrieben zur letzten Vollerhebung im Jahr 2010. Die bewirtschaftete extensive Fläche hat sich seit 2010 um rund fünf Prozent reduziert, die ertragreichen Flächen sogar um sieben Prozent. Gründe sind insbesondere die massive Verbauung und Flächeninanspruchnahme für nicht landwirtschaftlichen Zwecke auf der einen Seite und die Verbuschung auf der anderen Seite.

Vielfalt Landwirtschaft
Unterstützt durch Bildungs- und Beratungsangebote haben die Vorarlberger Bäuerinnen und Bauern ihre Betriebe stetig weiterentwickelt. Es wurden und werden verstärkt Möglichkeiten in der Direktvermarktung, im Anbau von Gemüse und Sonderkulturen, im Bereich der landwirtschaftlichen Dienstleistungen, wie Urlaub am Bauernhof und Green Care (soziale Landwirtschaft) verfolgt und ausgebaut. Dies unterstreicht die Entwicklung der Anbauflächen seit 2014: bei Dinkel (150 Hektar, +65 Prozent), Beeren (6 Hektar, +32 Prozent), Feldgemüse (60 Hektar, +50 Prozent) oder Speisekartoffeln (62 Hektar, +37 Prozent).
Strukturwandel, Versorgungssicherheit, Energie
„Der Strukturwandel konnte durch agrarpolitische Maßnahmen deutlich gebremst werden. „Die Agrarstrukturerhebung führt uns klar vor Augen, wie wichtig es ist, unsere Wiesen, Wälder und Äcker vor der weiteren Verbauung zu schützen. Hier besteht massiver Handlungsbedarf, ansonsten werden immer weniger Böden und immer weniger bäuerliche Betriebe für die regionale Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, nachhaltigen Rohstoffen und Energie zur Verfügung stehen! Da gilt es auch vor dem Hintergrund der Energieversorgung genau hinzuschauen. Es besteht noch viel Potenzial beim Thema Photovoltaik auf Dachflächen, Biogasanlagen oder Biomasse aus dem Wald. Es müssen nicht die Freiflächen sein“, betont LK-Präsident Josef Moosbrugger. „Mehr Versorgungssicherheit mit weniger Boden ist unmöglich und auch beim bäuerlichen Einkommen ist eine Steigerung nicht nur seit der Teuerung dringendst notwendig.“ Für Investitionen in eine CO2-arme Energiezukunft, die auf landwirtschaftlichen Betrieben durchaus denkbar sind, sind klare, langfristige Regelungen und ein Ausbau der Netzinfrastruktur dringend notwendig. Auch beim Klima ist unsere Landwirtschaft gut aufgestellt. Das Grünland mit acht Prozent Humusanteil weist eine hohe CO2 Speicherkapazität auf, ein Hektar Wiese speichert rund 50 Tonnen CO2. „Wir dürfen also getrost auf die Leistungen der Landwirtschaft bauen, sie unterstützen, wenn es um die Sicherung der landwirtschaftlichen Flächen, eine klare Herkunftskennzeichnung, faire Preise oder um die Forderung nach einer Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem Lebensmittelhandel geht. Die Landwirtschaft ist auch dort ein Teil der Lösung“, so Josef Moosbrugger.
Zahlen, Daten und Fakten zur Vorarlberger Landwirtschaft
Die landwirtschaftliche Nutzfläche in Vorarlberg besteht zu 97 Prozent aus Grünlandflächen. Von der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche inklusive Alpen sind nur ca. ein Drittel intensives Grünland, diese Flächen sind die Grundlage für hochwertiges Grundfutter und damit die Tierhaltung, die die Bewirtschaftung des Kulturlandes sicherstellt. Nur drei Prozent sind Acker. Die fast 2.400 Hektar Streuewiesen im Rheintal und Walgau leisten einen wichtigen Beitrag zu Naturschutz und Biodiversität. 15 Prozent der in Vorarlberg bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflächen sind naturschutzfachlich wertvolle Magerwiesen und Streuewiesen, rund 18 Prozent der Talbetriebe wirtschaften biologisch, 96 Prozent nehmen am Umweltprogramm ÖPUL teil. Rund 63.000 Rinder, davon 25.000 Milchkühe und 4.000 Mutterkühe, stellen den tierischen Schwerpunkt der Vorarlberger Landwirtschaft dar. Überdies halten die Vorarlberger Bäuerinnen und Bauern 14.000 Schafe und 5.000 Ziegen. In den letzten Jahren hat insbesondere die Geflügelhaltung deutlich zugenommen. So sind im Fünfjahresvergleich die Lege- und Masthühnerbestände um rund 40 Prozent gestiegen. Generell steigen die Tierzahlen mit Ausnahme der Schweine in allen Kategorien an.
Milch- und Käseland Vorarlberg
In Vorarlberg werden von 1.050 Milchlieferanten knapp 170 Millionen Kilogramm Milch erzeugt. Ca. 50 Prozent der Anlieferungsmilch ist Heumilch. In den 18 Jahres-, fünf Halbjahressennereien und rund 130 Sennalpen werden etwa 150 Millionen Kilogramm Milch zu Spezialprodukten verarbeitet.
Milch- und Käseland Vorarlberg
In Vorarlberg werden von 1.050 Milchlieferanten knapp 170 Millionen Kilogramm Milch erzeugt. Ca. 50 Prozent der Anlieferungsmilch ist Heumilch. In den 18 Jahres-, fünf Halbjahressennereien und rund 130 Sennalpen werden etwa 150 Millionen Kilogramm Milch zu Spezialprodukten verarbeitet.
Landwirtschaftlich genutzte Fläche in Vbg. | 70.000 ha | |
davon: | Acker | 2.500 ha |
mehrmähdiges Grünland | 22.500 ha | |
ein- und zweischnitt Wiesen | 13.600 ha | |
Alpfutterflächen | 32.000 ha |
Kontakt
zum Thema: LK-Präsident Josef Moosbrugger, T 0664/60 259 19 401, E josef.moosbrugger@lk-vbg.at
Presse: Mag. Karin Müller-Vögel, T 0664/60 259 19 442, E karin.mueller-voegel@lk-vbg.at
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