09.09.2020 |
von DI Peter Frühwirth
Anmerkungen zu "Das Verschwinden der bunten Wiesen“
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Betrachten wir folgend den Inhalt des ORF-Beitrages "Das Verschwinden der bunten Wiese" einmal etwas näher. Siehe auch die beiden Download-Dokumente am Ende dieses Beitrages.
"Das Verschwinden der bunten Wiese“ im kurzen Scan
- "Dazu wird das Schnittgut fein gehäckselt, wodurch Pflanzen und Tiere vernichtet werden."
Übrigens: Nächstes Jahr beginnt in Oberösterreich ein einzigartiges Forschungsprojekt zum Thema "Insektenschonendes Mähen" von Wirtschaftswiesen.
- "„... heute häckseln Hightech-Mäher alles ..."
Übrigens: Sensen mähen viel tiefer und erfassen so auch am Boden sitzende kleine Tiere (z.B. Frösche). Hightech-Mäher mähen auf ca. 8 cm Höhe und schonen so solche Tiere.
- "Durch das oftmalige Mähen können Wiesenblumen nicht mehr rechtzeitig Samen erzeugen und sterben zunehmend aus ..."
Übrigens: Für die Heumilch wird ein kleiner Teil der Wiesen 5- bis 6-mal gemäht. Mindestens. Man nennt das auch Eingraswiesen. Damit im Sommer die Kühe frisches und schmackhaftes Gras bekommen.
- "Alpines Mähen als Vorbild. Im alpinen Gelände wird nach wie vor mit der Sense gemäht ..."
- "Wird die Wiese in einer Höhe von zehn bis maximal 15 Zentimetern geschnitten, sichert das vielen Insekten das Überleben"
15 cm sind etwas für Landschaftspflegewiesen und Streuwiesen. Die werden einmal, maximal zweimal, gemäht und das Erntegut braucht keine Kuh zu fressen. Da geht es um den Schutz der Insekten und Pflanzenarten.
Übrigens: Wie geht das Mähen von steilem alpinen Gelände mit der Sense in 10 bis 15 cm Schnitthöhe? Da ist selbst ein hypertrainierter Ausdauersportler überfordert. Von manchen Bergmähdern bekommt er zudem nichts nach Hause, weil solche Wiesen oft nur 20 cm hoch werden.
- "... exzessive Landwirtschaft ..."
Übrigens: Der Ton macht die Musik. Wenn der Ton im Gespräch passt, lässt sich über vieles diskutieren.
- "Zu viele Nährstoffe durch Gülle"
22,6 Mio. t bzw. m³ Gülle haben wir von den Rindern, hier sind sogar Jauche und Mist zur eigentlichen Gülle dazugerechnet. Wir haben weiters 706.333 ha Wiesen, die 2mal, 3mal oder 4mal gemäht werden. Von den 22,6 Mio. t kommen rund 60% auf die Wiesen, weil der andere Teil am Acker für Feldfutter, Futtergetreide und Silomais gebraucht wird. Damit landen 13,6 Mio. t auf den Wiesen (Gülle+Mist+Jauche).
Durch das Mähen und die Ernte werden 89.700 t Nährstoffe (Stickstoff) von den Wiesen weggeführt. In der Kreislaufwirtschaft sollen diese Nährstoffe wieder zurückgebracht werden, sonst hungert die Wiese. Die 13,6 Mio. t Gülle enthalten jedoch nur 28.900 t Nährstoffe (Stickstoff). Das heißt, der Nährstoffbedarf unserer Wiesen in Österreich wird nur zu 28% abgedeckt!
Darum: Wo sind die "zu vielen Nährstoffe durch Gülle"? Vielmehr ist es traurige Realität, dass unsere Wiesen zu wenig Nährstoffe bekommen. Sie hungern also.
Übrigens: Die Wiesen sind mit ihren Böden ein lebender Organismus. Wenn dieser ständig zu wenig Nährstoffe bekommt, ist er anfälliger für Stress und Belastungen. Dass unsere Wiesen bei Wetterextremen wie Hitze und langen Trockenheiten sowie bei Schädlingsbefall (Engerlinge) nicht mehr wachsen können und teilweise sogar ganz zusammenbrechen, also absterben, ist deshalb verständlich. In den letzten Jahren haben wir das erlebt.
- "... rund 25 Millionen Tonnen Gülle auf Wiesen und Feldern, was etwa dem Volumen des Klopeinersees entspricht"
Übrigens: Es ist schon bemerkenswert, dass der Autor des Beitrages für seine falsche, das heißt viel zu hohe, Mengenangabe - bezogen auf die Wiesen - den kleinen Klopeinersee bemühen muss, um so etwas wie Betroffenheit beim Leser hervorzurufen.
- "Die Düngung einer Wiese hat andauernde Folgen - bis sich diese wieder erholt hat, vergehen zehn bis 20 Jahre"
Düngung - also Nährstoffversorgung - ist also etwas ganz Natürliches. Richtigerweise muss es heißen: Fehlende Düngung einer Wiese hat andauernde Folgen.
Die Wiese und der Boden darunter bilden eine Lebensgemeinschaft. Beide gehören zusammen und sind ein lebender Organismus. Je nachdem, wie oft eine Wiese gemäht wird, ist auch diese Lebensgemeinschaft unterschiedlich. Auf einer 2-Schnittwiese schaut sie anders aus als auf einer 4-Schnittwiese. Aber beide befinden sich in einem Gleichgewicht, wenn sie entsprechend ihres Bedarfes mit Nährstoffen versorgt werden.
Natürlich darf eine 2-Schnittwiese nicht wie eine 4-Schnittwiese gedüngt werden. Das ist wie bei uns Menschen: Wer wenig arbeitet, soll weniger essen. Sonst wird er dick und lebt ungesund, mit den andauernden gesundheitlichen Folgen (Herz-Kreislauf, Diabetes etc.).
Die richtige Nährstoffversorgung ist also lebenswichtig. Düngung ist damit eine natürliche und wichtige Maßnahme zum Wohl der Wiesen. Und keine Katastrophe, wie es dieser Satz im Beitrag suggeriert.
Übrigens: Der Boden einer Wiese ist voll von Lebewesen. Vom Regenwurm über Springschwänze und Milben bis hin zu Bakterien, Pilze und Algen. Diese werden durch Gülle, Mist und Jauche gefüttert und bilden dann jene Nährstoffe in einer Form, die auch von den Pflanzen der Wiese über die Wurzeln aufgenommen werden können.
- "Seltene Pflanzen wie zum Beispiel Enziane und die Orchideenart Ragwurz überleben das Ausbringen von Gülle nicht"
Übrigens: Solche Standorte sind vielmehr durch Verbrachung und Verbuschung gefährdet. Weil sich immer weniger Landwirte die Arbeit antun, solche Standorte mühsam zu mähen, wegen einer mageren Ernte, die keine Kuh fressen will. Wir brauchen daher die Landwirtschaft und ihre Landwirte, die solche Wiesen noch mähen. Sonst wäre es bald ganz vorbei mit diesen seltenen Pflanzen.
- "Der Löwenzahn kann hingegen gut mit großen Düngermengen umgehen, weswegen eine hohe Dichte an den charakteristischen, gelben Blüten auf starke Düngung hindeutet"
Wenn eine Wiese neu angesät wird, beginnt sich der neue Pflanzenbestand nach 4 bis 7 Jahren umzuwandeln, um sich an den Boden und die Bewirtschaftung anzupassen. In dieser Phase kann der Wiesenbestand lückig werden und der Löwenzahn hat Platz zum Keimen und groß zu werden. Das ist dann die Zeit, in der Wiesen auf einmal "gelb" werden. Bei richtiger Bewirtschaftung beruhigt sich das später wieder, der Löwenzahn wird weniger, die Gräser werden mehr. Im Frühjahr sind dann die Wiesen immer noch "gelb", weil das auffällige Gelb auf dem saftigen Grün halt "viel her macht". Was aber nicht zwingend heißt, dass aus der Sicht der Kühe zu viel Löwenzahn drinnen ist.
Übrigens: Der Löwenzahn zählt zu den schmackhaften und gesunden Kräutern, der gerne von den Kühen gefressen wird. Er enthält viele Vitamine und Mineralstoffe, ist faserarm und wertvoll für die Verdauung. Und die Bienen freuen sich auch.
- "Insgesamt gibt es Wiesen, wie wir sie heute kennen, erst seit rund 10.000 Jahren"
Auch die Böden dazu gab es damals noch kaum. Braunerden und Löss haben sich erst nach den Eiszeiten während der folgenden kalten und feuchten Jahrtausende gebildet.
Wiesen, wie wir sie heute kennen, entstanden großflächig erst nach der Rodung der Wälder und dem Wechsel von Ackerbau, natürlicher Begrünung in den Pausen ohne Ackerbau und Beweidung. Genau genommen begann die Wiesenwirtschaft mit Mähen im 18. bis 19. Jahrhundert durch die zunehmende Stallhaltung und durch den Kleebau. Vor 10.000 Jahren hatten wir keine Sorgen mit den Sensen und dem Tiere füttern.
Übrigens: Der Glatthafer, der heute namensgebend ist für typische 2- und 3-schnittige Pflanzengesellschaften mit hoher Artenvielfalt, ist erst im 19. Jahrhundert zu uns gekommen. Er ist ein Neophyt. Er ist aus Frankreich zu uns gekommen. Mit Beginn der Wiesenwirtschaft und mit dem Mähen.
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